Deutschland, das Land der Ingenieure, der Perfektionisten, der Normen – und jetzt auch das Land, in dem zum ersten Mal ein Level-4 autonom fahrender Linienbus durch den öffentlichen Verkehr rollt. Die Bühne dafür: Hannover. Der Hauptdarsteller: der Karsan Autonomous e-ATAK.
Die erste Zulassung: ein Ritterschlag vom KBA
Der Karsan Autonomous e-ATAK ist nicht irgendein autonomes Fahrzeug – es ist das erste seiner Art, das vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) eine Testzulassung für den Betrieb im öffentlichen Raum erhalten hat. In Deutschland. Dem Land mit den vermutlich strengsten Verkehrsregularien in ganz Europa.
Damit schreibt das türkische Unternehmen Karsan, in Kooperation mit seinem Technologiepartner ADASTEC, Automobilgeschichte. Die Zulassung ist nicht nur ein technisches Gütesiegel, sondern ein klares Zeichen: Autonomes Fahren hat das Versuchsstadium verlassen – es ist bereit für den Alltag.
Albus-Projekt: Die Zukunft fährt Linie 906
Im Rahmen des vom Bundesverkehrsministerium geförderten „Albus“-Projekts wird der e-ATAK auf der Linie 906 in Burgdorf bei Hannover eingesetzt. 7 Kilometer Strecke, 13 Haltestellen, 10 Ampeln, mehrere Fußgängerüberwege – die Strecke hat es in sich. Und dennoch meistert der Bus diese Herausforderungen zuverlässig, ohne Fahrer, mit einer konstanten Reisegeschwindigkeit von 40 km/h.
Wer glaubt, das sei eine inszenierte Testumgebung, irrt: Das Fahrzeug navigiert durch echten Stadtverkehr, bei Wind und Wetter, mit der Softwareplattform flowride.ai von ADASTEC. Es handelt sich um Level-4-Autonomie – also ein Bus, der komplett eigenständig fährt, auf einer vordefinierten Route, ohne menschliches Eingreifen.
Technik auf höchstem Niveau
Der Autonomous e-ATAK ist 8,3 Meter lang, wird von einem 220-kWh-BMW-Akku angetrieben und nutzt eine ausgeklügelte Kombination aus LiDAR, Radar, RGB-Kameras und GNSS. In 3 Stunden per DC oder 5 Stunden per AC ist der Bus voll aufgeladen und bereit für den nächsten urbanen Einsatz. Seine Sensorik ist so ausgelegt, dass er auch bei Schnee, Nebel oder Dunkelheit zuverlässig funktioniert – getestet unter Extrembedingungen bis zu -25 °C in Norwegen.
Vom Bosporus bis nach Hannover – Karsans globale Vision
Karsan ist kein Neuling auf dem Markt. Mit über 1.500 elektrischen Fahrzeugen in 27 Ländern hat das Unternehmen längst internationale Präsenz. Seit 2022 fährt der Autonomous e-ATAK in europäischen Städten – jetzt auch in Deutschland.
„Wir sind nicht nur dabei, wir setzen Maßstäbe.“
Okan Baş, CEO bei Karsan
Recht hat er: Wer es schafft, ein autonomes Fahrzeug durch den deutschen Zulassungsprozess zu bringen, beweist Weltklasse.
Besonders beeindruckend ist der Erfahrungswert: 35.000 Passagiere, über 100.000 Kilometer autonom zurückgelegt – auch durch Tunnel, wie etwa in Stavanger, Norwegen. Der Autonomous e-ATAK war der erste fahrerlose Bus, der einen europäischen Tunnel durchquerte.
Was das für Deutschland bedeutet
Die Genehmigung durch das KBA ist mehr als ein bürokratischer Akt. Sie ist ein Signal an Verkehrsbetriebe, Städte und Kommunen: Die Zukunft ist da, sie ist erprobt – und sie fährt. Deutschland hat den ersten Schritt getan, und es ist zu erwarten, dass viele weitere Städte folgen werden. Autonomes Fahren könnte helfen, Fahrermangel zu kompensieren, den ÖPNV effizienter zu gestalten und urbane Mobilität neu zu definieren.
Fazit
Der Karsan Autonomous e-ATAK zeigt uns, was möglich ist, wenn Technologie, Vision und regulatorische Klarheit zusammentreffen. Hannover ist jetzt das Zentrum eines Mobilitätswandels, den viele noch für Science-Fiction hielten. Die Testphase läuft – doch die Richtung ist klar: Der ÖPNV der Zukunft fährt elektrisch, leise – und selbstständig.