Die neueste Generation Reisebusse des MAN-Konzerns geht aufgefrischt ins Rennen. Und mit verstärktem Sicherheitspaket, die Langstreckenrenner von MAN haben auch mehr PS unter der Haube. Wir waren zum Vorkosten im Pinzgau unterwegs.
Um die MAN-Reisebusse war es etwas ruhiger geworden. Aber im Hintergrund, so viel war klar, gab es für die Entwickler viel zu tun. Denn die GSR-Bestimmungen (General Safety Regulations) der EU gelten für Omnibusse seit Juli 2024. Und die haben es in sich: Fußgänger- und Radfahrererkennung mit Kollisionswarnung, Tote-Winkel-Erkennung, zum Beispiel der Abbiegeassistent, Rückfahrkamera und Vieles mehr fordert der Europäische Gesetzgeber jetzt verpflichtend. Da hat jetzt auch MAN nachgelegt, genug Stoff für eine Proberunde. Wir durften einen Lion´s-Coach-Zweiachser und den langen Neoplan Tourliner fahren.
Es passt auch gut in die Zeit, der Reisebusmarkt in Europa zieht wieder an und die Hersteller rüsten sich für die größere Nachfrage. Auch bei MAN brummt es, und nicht nur in Europa. Die MAN-Strategen informieren über den größten Reisebusauftrag in der Geschichte des Unternehmens, 450 MAN Lion´s Coaches gehen nach Saudi Arabien. Rein optisch sind die aktualisierten Lion´s Coaches und Tourliner kaum von ihren Vorgängern zu unterscheiden. Aber die Veränderungen an den Fahrzeugen sind tiefgreifend, selbst in die Aufbaustruktur haben die Entwickler eingegriffen. Die wohl wichtigste Neuerung ist die neue Elektronik-Plattform, die in die Reisebusse einzieht. Ein Erkennungsmerkmal dafür ist das neue Cockpit, das Nutzfahrzeugexperten sofort erkennen. Die Armaturentafel und ihre Instrumente stammen aus den Schwer-Lkw MAN TGX – was ja keine schlechte Referenz ist. Denn auch dort wird die stimmige Ergonomie gelobt, vor allem der Smart-Select-Drehdrücksteller sammelt im Alltag schnell Pluspunkte.
Einsteigen und losfahren
Der MAN macht es seinen Fahrerinnen und Fahrern leicht, die Primärfunktionen sind fast selbsterklärend – auch MAN-Novizen finden sich schnell zurecht. Das Lenkrad geht prima zur Hand, wer will, kann es so steil wie im Scania stellen. Ok, keine Spiegel, dafür Mirror Cams – im Allgemeinen keine schlechte Lösung. Aber wenn die Sonne scheint, ist die Landschaft heller als das Display. Und man muss länger hinsehen, um das Bild zu begreifen. Perfekte Pedale, der D26-Sechszylinder hat jetzt 480 PS und fast 2.500 Newtonmeter, mehr braucht kein Zweiachser. Der Antritt ist, sofern man will, spontan und forsch, lässt sich aber fein regeln. Und das Getriebe schaltet und waltet prima, eher dem Komfort verpflichtet. Dass die Entwickler auch für die 2025er-Busse weiterhin auf den D26-Diesel setzen, verwundert ein wenig. Denn bei den Trucks wird er längst durch den neuen D30-Konzernmotor (samt Konzerngetriebe) ersetzt. Er soll in den Bussen erst mit der Einführung der Euro 7-Grenzwerte Verwendung finden, erklären die Strategen. Der MAN-Zweiachser rollt jetzt etwas straffer ab, die neue VASC-Luftfederung (sie kommt mit weniger Komponenten aus) wird mit einer neuen Feinabstimmung der PCV-Stoßdämpfer kombiniert. Der MAN fährt flott, komfortabel und sicher, er bremst auch gefühlsecht und verlässlich. Der Retarder verzögert stark, nur an die Regelung per Tipphebel kann sich nicht jeder gewöhnen. Der MAN ist innen wohnlich und stabil, da klappert nichts und das Innenlicht ist immer noch Spitze.
Zeit für den Umstieg
Der fällt auch nicht schwer. Gleiches Cockpit, die gleichen Displays für die Mirror Cams. Der Unterschied liegt in der Länge, fast 14 Meter ist der Neoplan-Dreiachser lang. Und man merkt auch sofort den längeren Radstand und den längeren Hecküberhang. Verschärfte Aufmerksamkeit auf den ersten Metern, da erschweren anfangs auch die Spiegelersatzkameras die Einschätzung des Fahrzeugformats. Keine Hilfslinien fürs Fahrzeugheck, erst recht nicht am Drehpunkt, an der Hinterachse. Man braucht schon ein wenig, und gerade als Umsteiger, lieber etwas mehr Platz lassen beim Einscheren und beim Rangieren. Dabei hilft der 360-Grad-Rundumblick durch das Kamerasystem, vor allem unter engen Verhältnissen. Hat der Tourliner freie Fahrt, rollt er omnibusfein sanftpfötig ab und lässt seine Passagiere auch ondulierte Fahrbahnen nicht spüren. Vor allem die Fahrgäste werden mit einer exklusiven 2+1-Bestuhlung und viel Freiraum verwöhnt, der Tourliner ist leise, auch unter Volllast, wenn der D26-Diesel gefordert ist. Unser Neoplan ist mit 480 PS gut motorisiert, leistungsfreudige Kunden können auch 520 PS und maximal 2.650 Newtonmeter bekommen. Das muss den Betreiber übrigens nicht teuer zu stehen kommen: Gepaart mit der längsten Achsübersetzung lässt es sich nämlich trefflich sparen.
Autostopp, wenn der Fahrer nicht reagiert
Der Neoplan hat alle verfügbaren Sicherheitssysteme an Bord, und so viel vorweg: Sie sind uns auch nicht mit Fehlmeldungen auf den Wecker gegangen. Vielleicht die Verkehrszeichenerkennung, die bei 3 km/h Overspeed schon Meldung macht – nicht laut und dennoch lästig, daran wird man sich gewöhnen müssen. Eine aktive Spurführung – autonomes Fahren auf Level 2 – können MAN-Reisebusse noch nicht. Sie belassen es bei einer aktiven Spurrückführung, wenn der Bus ohne zu Blinken die Fahrbahnmarkierungen überfährt. Der Attention Guard, auf gut Deutsch der Aufmerksamkeitsassistent kann sich ganz unerwartet melden, dann leuchtet eine Anzeige im Display, die Fahrgäste werden davon aber nicht erschreckt. Die automatische Fahrlichtschaltung knipst bei Tunneldurchfahrten die Scheinwerfer an, was aber dazu verleitet, sich darauf zu verlassen und den Lichtschalter ganz zu vernachlässigen. Dann fährt man bei starkem Regen oder Nebel nur mit Tagfahrlicht und ohne Heckbeleuchtung, was der Verkehrssicherheit wieder abträglich wäre.
Den neuen Safestop Assist haben wir nicht getestet, dafür hätte uns womöglich der Platz nicht gereicht. Deshalb hier die kurze Erklärung des Systems: Eine Handlungsunfähigkeit des Fahrers, das kann ein kurzer Blackout oder auch ein Schlaganfall sein, wird vom Fahrzeugrechner registriert, der wiederum eine mehrstufigen Warn- und Bremskaskade auslöst. Wenn dann der Fahrer nicht reagiert, mittlerweile sind etwa 40 Sekunden vergangen, leitet der Safestop Assist eine Notbremsung ein und bremst den Omnibus (mit Warnblinkanlage) auf der eigenen Fahrspur bis zum Stillstand ab.
„Es kommt ja immer mal vor, dass Fahrer durch unvorhersehbare Ereignisse nicht mehr agieren können. Die Folgen können verheerend sein“
Testbegleiter von MAN
Der Safestop Assist, der im Gefahrenfall auf alle Sicherheitssysteme an Bord zurückgreift, soll künftig in allen Reise- und Überlandbussen des Konzerns zu haben sein. Optional, wie immer – dabei sollte er eigentlich zum Standard werden.
Technische Daten
MAN Lion´s Coach
Länge/Breite/Höhe | 12.101/2.550/3.870 mm |
Radstand | 6.090 mm |
Überhang vorn/hinten | 2.736/3.305 mm |
Wendekreis | ca. 20.880 mm |
Maximaler Radeinschlag an der Vorderachse | 56 Grad |
Innenstehhöhe | 2.000 mm |
Sitzplätze | 44 |
Volumen Gepäckraum (Serie) | ca. 9,7 m³ |
Volumen Kraftstofftank | ca. 400 l |
Volumen AdBlue | ca. 60 l |
Reifengröße | 295/80 R 22,5 |
Zul. Gesamtgewicht | 18.600 kg |
Zul. Achslast vorn/hinten | 7.100/11.500 kg |
Motortyp/Abgasstufe | MAN D2676 LOH/Euro VI-E |
Zylinder/Hubraum | R6/12.400 cm³ |
Leistung | 352 kW (480 PS) bei 1.800 U/min |
Max. Drehmoment | 2.450 Nm bei 930 - 1.350 U/min |
Getriebe | Automatisiertes 12-Gang-Schaltgetriebe MAN Tipmatic |
Vorderachse | MAN VOS-08-B01, Einzelradaufhängung |
Hinterachse | MAN HY 1350-B-01, Übersetzung 2,73:1 |
Technische Daten
Neoplan Tourliner L
Länge/Breite/Höhe | 13.913/2.550/3.870 mm |
Radstand | 6.600/1.470 mm |
Überhang vorn/hinten | 2.775/3.088 mm |
Wendekreis | ca. 22.318 mm |
Maximaler Radeinschlag an der Vorderachse | 56 Grad |
Innenstehhöhe | 2.000 mm |
Sitzplätze | 35 (2+1-Layout) |
Volumen Gepäckraum (Serie) | ca. 9,6 m³ mit Toilette |
Volumen Kraftstofftank | ca. 525 l |
Volumen AdBlue | ca. 60 l |
Reifengröße | 295/80 R 22,5 |
Zul. Gesamtgewicht | 23.920 kg |
Zul. Achslast vorn/hinten | 7.100/11.500/5.300 kg |
Motortyp/Abgasstufe | MAN D2676 LOH/Euro VI-E |
Zylinder/Hubraum | R6/12.400 cm³ |
Leistung | 352 kW (480 PS) bei 1.800 U/min |
Max. Drehmoment | 2.450 Nm bei 930 - 1.350 U/min |
Getriebe | Automatisiertes 12-Gang-Schaltgetriebe MAN Tipmatic |
Vorderachse | MAN VOS-08-B01, Einzelradaufhängung |
Hinterachse Nachlaufachse | MAN HY 1350-B-01, Übersetzung 2,73:1 Elektrohydraulisch gelenkte Starrachse |