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Neue Qualitäten auf der Linie

Der neue Setra-Regionalbus wird noch mit erstaunten Blicken begleitet. Die Optik des Setra S 515 LE macht neugierig, er bringt nämlich zahlreiche technische Neuerungen auf die Umlandpisten. Wir testen unter Praxisbedingungen, steigen Sie ein und teilen Sie mit uns die Erfahrungen.

So viel Aufmerksamkeit ziehen wir bei Testfahrten nicht immer auf uns. Gleich zu Beginn am Busbahnhof, wo der Setra von wartenden Passanten betont kritisch gemustert wird. Und dann der Fahrerkollege, der es an einer roten Ampel wissen will. Er zieht links an uns heran, öffnet die Tür und fragt staunend: „Was ist denn das für ein Fahrzeug?“ und kommentiert: „Zwei Busse in einem….“ – wobei er den Nagel auf den Kopf trifft. Obwohl das Konzept „Low Entry“ ja nicht so neu ist. Aber bisher hat kein Bushersteller seinen Low Entry so auffällig in Szene gesetzt. Vor allem an den langen Seiten: Ab der Tür 2 trennt optisch eine breite Säule die Hochboden-Hecklounge vom niederflurigen Vorderwagen. Was dem Produkt aus Neu-Ulm eine verwegene, fast französische Anmutung verleiht. Die der Eine mag und der Andere vielleicht weniger. Uns gefällt er, und wir meinen: Endlich mal wieder ein Gesicht in der Menge -  und der „adriablaue“ Lack steht dem neuen Setra wirklich gut.

Alles Ansichtssache, wir halten uns nicht länger damit auf. Auf unserem Rundgang gefallen uns die gleichmäßigen Spaltmaße, die sorgfältige Lackierung und endlich – die Radarsensoren des Abbiegeassistenten auf. Der Setra trägt sich rechts und links, er warnt auch bei der Haltestellenausfahrt, wenn sich auf der linken Spur ein Fahrzeug nähert. Und endlich hat der Setra-Regionalbus vernünftige hellstrahlende LED-Scheinwerfer statt der alten Halogenlichter, damit kommt man besser durch die Nacht. Es sind oft die kleinen Details, die im Alltag helfen: Wie die zusätzliche Leuchte an der Hinterachse, die nachts den Drehpunkt des Fahrzeugs markiert. 

Nach dem Rundgang steigen wir ein, im Fahrgastraum sind fast alle Sitzplätze von Wasserpuppen besetzt, zwischen den Sitzreihen lagern gesicherte Sandsäcke. Wir zeigen Ihnen den Innenraum noch im unbeladenen Zustand, so wie er seine Fahrgäste empfängt – so vermittelt er den Entscheidern seine Originalansicht. Aber so ein Test verlangt nach Auslastung, in unserem Fall sind es rund 4.250 Kilogramm, nach gängigem Schlüssel sind wir mit 61 Personen unterwegs. Eine üppige Belegung, mit 45 Sitzen wäre der Setra auch mit stehenden Fahrgästen unterwegs. Bei der Gelegenheit werfen wir auch noch einen Blick in die archivierten Unterlagen: Das Vorgängermodell war (wohl ausstattungsbedingt) rund 400 Kilo leichter, auch wenn der Hersteller von Leichtbau und gewichtsoptimierten Komponenten spricht. 

Wie gefällt der neue Setra den Fahrgästen?

Der Einstieg ist barrierefrei, auch wenn mit der montierten 295er-Bereifung die Einstiegshöhe mit 355 mm etwa drei Zentimeter höher ausfällt. Eine LED-Lichtleiste an den Einstiegen wie im Citaro fehlt, der LE wird wohl schärfer kalkuliert. Der Fahrgastraum selbst bietet das übliche Menü, hinter der Stehplattform an der Mitteltür geht es dreistufig, aber gut begehbar ins voll bestuhlte Heck. Wie von Testfahrzeugen gewohnt bietet unser Setra Edelhaltestangen und Holzoptikboden, die Dach-Gepäckablagen reichen nur bis zur Rollstuhl- oder Kinderwagenplattform. Der Kunde kann hier auch Klappsitze wählen, oder in der städtischen Variante weniger Sitze im Vorderwagen platzieren. Und was nicht in allen LE-Fahrzeugen gewährleistet ist – die Fahrgäste sehen uneingeschränkt auf allen Plätzen nach außen.

Nicht nur deshalb kann das Testfahrzeug auch Ausflüge fahren. Die konzerneigenen Hochlehner-Sitze der Marke Setra Route sind für Tempo 100 sogar mit Sicherheitsgurten bestückt. Und weil gut fährt, wer gut sitzt und angenehm temperiert wird, wird der Setra LE mit Gebläseheizern schnell warm – und im Sommer mit einer leistungsstarken Evocool-Klimaanlage auf dem Dach über die Dachkanäle komfortabel gekühlt. Wer öfter lange Strecken fährt, sollte die Sonderausstattung mit Luftdüsen und Leseleuchten in Betracht ziehen. Alle Klimaanlagen sind übrigens serienmäßig mit antiviralen Filtern ausgestattet, die nächste Grippewelle kann kommen.

Nach dem obligatorischen Tanken beim Start und dem Gewichtscheck auf der Waage drehen wir die erste Runde. Und schon da fällt auf, wie schwergängig die Lenkung arbeitet. Noch ist es ein erster Eindruck, wir kommen später noch darauf zurück. Sonst sind wir von der Übersichtlichkeit des Fahrzeugs begeistert. Nach vorn, nach rechts und links, auch wenn der linke Außenspiegel ein stückweit durch die A-Säule verdeckt wird. Das wird sich ohnehin ändern, auch den S 515 LE wird es demnächst mit Mirrorcams und Displäys an den Innensäulen geben. Die Innengeräusche sind moderat, auch wenn die Messergebnisse höhere Werte anzeigen. Es sind die Conti-Winterreifen, die um diese Jahreszeit verpflichtend sind. Die singen bei höheren Geschwindigkeiten den Blues, die Antriebsgeräusche bleiben dezent im Hintergrund. An dieser Stelle sollten wir auch erwähnen, dass wir bei laufendem Motor noch einmal den Anlasser bemühen wollten. Der OM 936-Diesel läuft im Leerlauf (und auch im Betrieb) mustergültig leise und stets turbinengleich vibrationsfrei. Vor uns liegen zwei Testetappen, zuerst muss sich der Setra auf einem Stadtrandkurs bewähren. Dann darf der Neu-Ulmer schneller fahren, auf großen und kleinen Landstraßen, wie im richtigen Leben.

Im städtischen Umfeld 

Vor dem Testlauf werden Motor, Getriebe und Achsen sorgsam warmgefahren, dann fällt der Startschuss. An jeder Haltestelle das gleiche Prozedere, Türen auf mit Kneeling, dem Setra LE wird nichts geschenkt. Als Arbeitsplatz dient das Cockpit „Basic“, das stark an die Setra-Reisebusse erinnert. Es macht was her und lässt sich gut bedienen, und hier sind auch wesentliche Neuheiten zu finden. Beispielsweise die elektrisch-elektronische Feststellbremse, die den Umgang im Linienalltag wesentlich erleichtert. Oder das Kamerasystem, das dem Fahrer per Videofusion einen perfekten Rundumblick ermöglicht, wenn es mal enger oder unübersichtlicher hergeht. 

Der Setra LE kann Stadtverkehre, der Hersteller verwendet gleiche Antriebskomponenten wie im City-Bestseller Citaro. Mit der Ausnahme der Hinterachse, statt der komplizierten Niederflurachse kommt hier eine einfach übersetzte Hypoidachse (aus dem Reisebusprogramm) zum Einsatz. Der OM 936-Sechszylinder liefert maximal 354 PS und 1.400 Newtonmeter an die Ecolife-Automatik von ZF, beide Antriebsaggregate arbeiten vortrefflich zusammen. Der 7,7-Liter-Diesel schiebt kräftig an und die Automatik serviert die passenden Übersetzungen, damit kommt der Setra schnell auf 50 bis 60 km/h. Nur bei der Wahl der Türen würden wir zu schneller öffnenden und schließenden Schwenkschiebetüren raten. Denn mit den pneumatischen Außenschwenktüren wird an den Haltestellen wertvolle Zeit vertan, bis sie öffnen oder schließen – und man endlich wieder abfahrbereit ist. Auch die Lenkung erschwert das Fahrerlebnis, man muss am Volant mehr Kraft aufwenden, als einem lieb ist. Zumal die Rückstellkräfte der Lenkung so gering ausfallen, dass man im Kreisverkehr auch wieder zurückrudern muss. 

Als Regionalexpress

Auf längeren Distanzen mit weiten Haltestellenabständen kann der neue Setra LE mit seinem guten Fahrkomfort und sicheren Fahreigenschaften punkten. Wenngleich wir auch hier anmerken: Die zähe Lenkung macht den an sich handlichen Setra-Zweiachser schwerfälliger, als er sein müsste. Denn man lenkt ein – und rudert zurück. So mancher Wettbewerber macht weniger Mühe. Und das Argument der Testbegleiter, dass eine leichtgängigere Lenkung den Geradeauslauf verschlechtere, können wir so nicht stehen lassen – dafür gibt es gute Referenzen. Was wir noch feststellen: Auf Landstraßen nachrangiger Ordnung rumpelt der Aufbau schon mal, vielleicht sind wir etwas verwöhnt von den steifen Dachpartien der Elektrobusse. 

Aller Ehren wert sind die Bemühungen des Herstellers, dem neuen Setra-Regionalbus die größtmögliche Sicherheit mit auf den Weg zu geben. Die neue Baureihe setzt die GSR-Vorschriften der EU (General Safety Regulations) voll umfänglich um, mit City-Notbremse, Abbiegeassistent, Verkehrszeichenerkennung und vielem mehr ist der Regionalbus aus Neu-Ulm kaum zu toppen. Fahrerinnen und Fahrer müssen sich allerdings darauf einstellen, immer wieder ein Piepsen zu hören. Wenn man 55 statt 50 km/h fährt, wenn man auf der Landstraße die Mittellinie überfährt, gibt es den Rüttelalarm, den man nicht dauerhaft abstellen kann. 

Kalkulatorisch betrachtet

Ist der Setra LE empfehlenswert? Mit der Kostenbrille betrachtet punktet er mit seinem wirklich günstigen Verbrauch. Beim OM 936-Sechszylinder zieht der Hersteller alle Register, mit Drucklufteinblasung und Mildhybrid-Unterstützung arbeitet der moderne Diesel leise, leistungsfähig und enorm effizient. Weil die gleichen Motoren und Getriebe auch im Citaro effizient und druckvoll anschieben, haben wir in unserem Testfahrten-Archiv nachgeschlagen. Auf gleichen Strecken registrieren wir Minderverbräuche von sieben beziehungsweise vier Litern auf 100 Kilometern, die auf das Konto des Low Entry einzahlen. Und dieses Ergebnis ist gesichert: Verkehre, die nicht unbedingt reine Niederflurfahrzeuge erfordern, werden weitaus günstiger mit Low Entries betrieben.

In der Beschaffung ist der S 515 LE nicht ganz billig, der Hersteller möchte für einen wie diesen 255.000 Euro haben. So mancher Wettbewerber bietet günstiger an. Dafür bekommt der Setra-Kunde aber auch ein Servicenetzwerk beigestellt, das sein Fahrzeug auch in schwierigen Situationen am Laufen hält.

Testbewertung auf einen Blick


Antrieb

+ kräftiger Sechszylinder-Diesel

+ kultivierte Laufeigenschaften

+ sauber abgestimmter Mildhybrid-Antriebsstrang

+ sehr günstiger Kraftstoffverbrauch trotz Winterreifen

Fahreigenschaften

+ sicheres Fahrverhalten 

+ stabiler Geradeauslauf 

+ vorbildliche Federung

+ standfeste Bremsanlage

zähe schwergängige Lenkung mit geringen Rückstellkräften

Fahrgastkomfort

+ guter Fahrgastkomfort (Sitze, Heizung/Lüftung/Klima)

- langsam öffnende und schließende Außenschwing-Türen

+ leise Antriebsgeräusche im Heck

- vernehmbare Fahrzeugresonanzen

Fahrerarbeitsplatz

einfache Fahrzeugbedienung

+ hohe aktive und passive Sicherheit

+ übersichtlich modernes Cockpit mit gutem Bedienungskomfort

- schwergängige Lenkung


Die Messwerte

Testbedingungen:                                           15 ° C, trocken

Gefahrene Kilometer:                                     127,8 km

Durchschnittlicher Kraftstoffverbrauch          30,32 l/100 km

Kraftstoffverbrauch 


Konstantverbrauch bei 50 km/h

16,66 l/100 km

Konstantverbrauch bei 60 km/h

17,92 l/100 km

Stadtlinienkurs

36,61 l/100 km bei Durchschnittsgeschwindigkeit 20,48 km/h

Überlandlinie                                     

28,49 l/100 km bei Durchschnittsgeschwindigkeit 37,3 km/h

Fahrdynamik

Beschleunigung 0 – 20/40/50/60/80 km/h    4,8/10,3/12,2/15,5/25,3 s

Innengeräusche in dB(A) (mit Winterreifen)                        

50 km/h Front/Mitte/Heck                             62,2/63,1/62,0            

60 km/h in dB(A)                                             63,5/68,2/75,9 


Setra S 515 LE hybrid: Technische Daten, Maße und Gewichte

Motor 

Wassergekühlter Reihensechszylinder Typ OM 936, Turboaufladung und Ladeluftkühlung, 4 Ventile pro Zylinder. Elektronisch geregelte Einspritzung per Common-Rail-System; Powerboost-Druckluft-Einblasung beim Anfahren, 48-Volt-Elektromotor in der Getriebeglocke. Schadstoffarm nach Euro 6E mit Abgasrückführung, SCR-Abgasnachbehandlung und DPF

Hubraum         7.698 cm³

Nennleistung   260 kW (354 PS) bei 2.200 U/min

Max Drehmoment      1.400 Nm bei 1.200 – 1.600 U/min                                 

Kraftübertragung

Sechsgang-Getriebeautomat ZF Ecolife 2 mit integriertem Retarder, Übersetzungen 3,36 – 0,61, Rückwärtsgang 4,23, Achsübersetzung i = 5,22               

Fahrwerk

Vorderachse ZF RL 82 EC mit Doppelquerlenkern, zwei Luftfederbälge, zul. Achslast 8,0 t; angetriebene Hypoid-Hinterachse RO440, vier Luftfederbälge. Zul. Achslast 11,5 t; Bereifung 295/80 R 22,5 

Bremsanlage, Lenkung

Zweikreis-Druckluft-Bremssystem EBS, Scheibenbremsen an allen Achsen; 2-Zylinder-Luftpresser, zul. Betriebsdruck 11,5 bar; Dauerbremse hydraulischer Primärretarder, elektronische-Feststellbremse. Lenkung

Hydraulische Servolenkung, Radeinschlag 53/46 Grad.

Elektrik

Bordspannung 24 V, drei Drehstromgeneratoren a 150 A, zwei Batterien 12 V/200 Ah, Rekuperationsmodul 1 Ah, 48-Volt-Hybridnetz mit 2 Supercap-Speichermodulen.

Maße und Gewichte

Länge/Breite/Höhe                             12.210/2.550/3.315 mm (mit AC)

Radstand                                             6.200 mm

Überhang vorn/hinten                        2.710/3.300 mm

Stehhöhe Mittelgang                          2.600 mm

Einstiegshöhe vorn/Mitte/hinten       350/370 mm

Kraftstofftank                                      300 l

Adbluebehälter                                   53 l

Wendekreis                                         21.776 mm

Leergewicht lt. Hersteller                   12.054 kg

Testgewicht                                         16.540 kg

Zul. Gesamtgewicht                            19.500 kg

Fahrgastplätze                         45 Sitz- und ca. 35 Stehplätze

Preis

Testfahrzeug                                       255.000,00 Euro