Künftig sind in Wernigerode am Nordrand des Harzes sieben Scania Citywide LF mit Einheimischen und Touristen unterwegs – und das nahezu klimaneutral.
Eine halbe Stunde vor dem feierlichen Moment schaut Dirk Blum in den Himmel und legt die Stirn in Falten. Eine dunkle Wolkenwand ist aufgezogen, erste Tropfen fallen. Es ist ein Hoffnungsschimmer für die Natur, nach Monaten der Dürre. Aber gerade jetzt? Der Werkstattleiter der Harzer Verkehrsbetriebe (HVB) hat soeben die Protagonisten dieses besonderen Vormittags auf dem Betriebshof in Wernigerode aufgereiht: Sieben Linienbusse vom Typ Scania Citywide LF. Frisch vom Band gelaufen und bereit für den Einsatz stehen sie nun auf dem Hof.
Als die Gäste eintreffen, hat sich der Regenschauer verzogen und Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg durch die Wolken – wie bestellt für die Übergabe der neuen Busse, deren frische weiß-blaue Farbgebung nun im Licht erstrahlt. Nicht nur die Busse, auch die Gäste haben sich in Schale geworfen, schließlich markiert dieser Tag einen Meilenstein. Für die HVB, für den Hersteller Scania und für den ÖPNV allgemein. Denn die hier aufgereihten Citywide LF sind die ersten CNG-Stadtbusse von Scania, die in Deutschland mit Biogas betrieben werden. Dieser Kraftstoff ist der nachhaltigste, den es zur Zeit am Markt gibt. Die neuen Scania Busse werden in Wernigerode nahezu klimaneutral fahren, gefördert mit Mitteln der Europäischen Union.
„Wir blicken mit diesen neuen Fahrzeugen optimistisch in die Zukunft“, sagt Christian Fischer, Geschäftsführer der HVB, während der feierlichen Übergabe. „Ziel der Anschaffung ist es, den Stadtverkehr in Wernigerode attraktiver und klimafreundlicher zu gestalten“, so Fischer.
Attraktiver wird das Busfahren für die Fahrgäste vor allem aus diesen Gründen: Die 32 Sitze haben, ähnlich wie in Regionalbussen, hohe Lehnen und sind dadurch bequemer. An einigen Sitzgruppen gibt es USB-Ladebuchsen, der Innenraum ist vollklimatisiert und der Einstieg ist barrierefrei. „Nicht nur die Fahrgäste, auch die Busfahrerinnen und -fahrer werden sich deutlich wohler fühlen, denn wir haben für eine optimale Erreichbarkeit der Armaturen gesorgt und modernste Fahrerassistenzsysteme eingebaut“, sagt Jens Ludwigkeit, Verkaufsleiter Busse bei Scania Deutschland.
Angetrieben wird der Scania Citywide LF von einem hocheffizienten Fünfzylinder-Gasmotor mit neun Litern Hubraum und 280 PS. „Das ist der modernste und sparsamste Gasmotor für Busse, den es derzeit auf dem Markt gibt“, sagt Jens Ludwigkeit. Die Fahrgestelle des Citywide LF werden am Scania Hauptsitz im schwedischen Södertälje hergestellt, die Endmontage findet im Scania Werk Slupsk in Polen statt.
Die HVB will die Busse auf ihren fünf Stadtlinien ausschließlich mit Biomethan des Herstellers Verbio aus Sachsen-Anhalt fahren. Die Wernigeroder Stadtwerke sorgen hier für den Nachschub. Das Gas wird ausschließlich aus landwirtschaftlichen Abfallstoffen und Stroh hergestellt. Produkte, die für Nahrungsmittel verwendet werden könnten, kommen dabei nicht zum Einsatz. „Wir werden durch dieses Projekt 100.000 Liter Diesel einsparen“, sagt Christian Fischer. Das entspreche 300 Tonnen CO2. Im Vergleich zu den Dieselfahrzeugen, die durch die Scania Citywide LF ersetzt werden, würden künftig bis zu 90 Prozent weniger CO2-Emissionen anfallen. Im Ergebnis bedeutet die Kooperation der beteiligten Unternehmen: In Wernigerode entsteht der erste nahezu CO2-neutrale Stadtverkehr in den östlichen Bundesländern.
Dass auf die Scania Busse künftig auch mal überraschende Einsätze warten könnten, darauf weist der stellvertretende Oberbürgermeister Immo Kramer mit Blick auf die zeitgleich andauernden Löscharbeiten am nahegelegenen Brocken hin. Einige Tage zuvor war unterhalb des Berggipfels ein großflächiger Waldbrand ausgebrochen. Touristinnen und Wanderer wurden mit Hilfe der HVB evakuiert. „Auch das müssen die Busse können – nicht nur im Flachland fahren, sondern auch im Harz auf 1.100 Metern Höhe“, sagt Kramer.
Natürlich ist es vor allem der tägliche Linienbetrieb, in dem sich die neuen Scania Busse bewähren müssen. Werkstattleiter Dirk Blum wird ein genaues Auge darauf haben – und er ist optimistisch. Die gasbetriebenen Busse hätten in der Handhabung diverse Vorteile gegenüber denen mit Dieselantrieb. Zum einen seien die Fahrgeräusche geringer, sowohl für die Fahrgäste als auch für die Kolleginnen und Kollegen am Steuer. Zum anderen verringere sich im Vergleich der Wartungsaufwand. „Die Diesel mit Euro 6 haben eine komplizierte Abgasnachbehandlung, die auf hohe Temperaturen angewiesen ist“, erklärt er. Diese würden bei den Fahrzyklen in der Stadt aber kaum erreicht, weshalb mehr Arbeit in der Werkstatt entstehe. Bei den Ottomotoren der neuen CNG- und Biomethan-Busse spielen Probleme mit der Abgasnachbehandlung kaum eine Rolle.
Bereits in der kommenden Woche will die HVB die sieben neuen Scania Citywide LF im Linienverkehr einsetzen. Ihre Diesel-Vorgänger werden dann sukzessive ausgemustert. Ein Tausch ganz im Sinne einer sauberen Stadtluft.