Stell dich bitte kurz vor und erzähl uns wie du zum Busfahren gekommen bist!
Schon als Kind faszinierte mich die Kunst des Busfahrens sehr! Worte können kaum beschreiben, welch faszinierte Blicke ich dem Busfahrer zuwarf, der mich morgens in die Schule fuhr. Ich sah ein riesengroßes Fahrzeug und einen Chauffeur, der seine 18 Meter gekonnt und präzise durch enge Häuserschluchten und zugeparkte Gassen manövrierte und von da an war mir klar, das will ich auch mal können.
...und dies änderte sich bis zur Fachhochschulreife nicht. Stattdessen absolvierte ich bis dahin mehrere freiwillige Praktika bei verschiedenen Verkehrsunternehmen in den Schulferien, die meinen großen Wunsch bekräftigten. Letztendlich pflegte ich auch schon von Kindheit an ein großes Interesse für all die Prozesse, die „hinter den Kulissen" stattfinden, also Fahr-, Dienst- und Umlaufplanung sowie die inner- und außerbetriebliche Organisation des Systems ÖPNV. Ich erkannte schnell, dass es sich dabei um ein komplexes System aus vielen „Zahnrädern" handelt, die alle ineinandergreifen und wie ein Uhrwerk funktionieren müssen, damit Umsteigemöglichkeiten gewährleistet werden und die Menschen ihr Ziel pünktlich erreichen können.
Von all dieser Faszination enorm motiviert, landete ich schließlich als Schülerpraktikant bei den Stadtwerken Schweinfurt, die dann auch zu meinem Ausbildungsbetrieb wurden. Über die Berufsausbildung zur Fachkraft im Fahrbetrieb bin ich dann zum Busfahren gekommen und ein klares Zeichen, dass es sich um wahre Berufung handelt, ist, dass es mir auch heute (sieben Jahre später!) noch immer so viel Freude macht wie am ersten Tag!
Nach der Ausbildung habe ich mich dazu entschlossen, mein Fachabi zu nutzen und mich weiterzubilden. Dementsprechend naheliegend war es, in Heilbronn an der Hochschule dann „Verkehrsbetriebswirtschaft und Personenverkehr" zu studieren. Bis zur Bachelorarbeit bin ich natürlich stets am Wochenende und in den Semesterferien Bus gefahren und habe in diesem Zusammenhang auch meine ersten Reise-Erfahrungen sammeln dürfen. So verschlug es mich auch einige Male auf die große Skandinavien-Rundreise bis ans Nordkap und auf die Lofoten. Auch wenn ich mich auf der Linie sehr wohl fühle, da mein grundsätzliches Interesse bei Thematiken des ÖPNV definitiv am stärksten vertreten ist, so möchte ich keine Reise-Erfahrung missen und es waren wunderschöne „Urlaubsfahrten", die meinen Blick auf den Busfahrer-Job um viele wertvolle Erkenntnisse und Eindrücke bereichert haben.
Als das Unternehmen – Leinach Tours – dann im Linienverkehr aufgehört hat, bin ich als Werkstudent im Fahrdienst direkt zur OVF (eine Unternehmen von DB Regio Bus) gewechselt und durfte dort mein „freakiges Wesen" richtig gut ausleben. Ich habe mir nämlich nach und nach alle unterfränkischen Einsatzstellen (und auch einige Linien in Mittelfranken) beigebracht und durfte dann neben meinem Studium immer genau dort aushelfen, wo der Krankenstand besonders akut war.
Nach meiner Bachelorarbeit kam ich dann bei der OVF dazu, mich auf die ausgeschriebene Stelle des Teamleiters Fahrdienst zu bewerben, die ich auch aktuell innehabe.
Bedeutet: ich bin nicht als Fahrbediensteter eingestellt, sondern bin der direkte Vorgesetzte von ca. 50 Busfahrern und dazu bin ich im nebenamtlichen Bereich als Ausbilder für meine BKF- und FiF-Azubis tätig. In beiden Berufen engagiere ich mich im Prüfungsausschuss und dazu gebe ich als freiberuflicher Dozent im Nebenerwerb Kurse, die die zukünftigen Ausbilder auf die Ausbildereignungsprüfung vorbereiten.
Aber selbstverständlich würde ich den Job als Führungskraft mit all seinen Herausforderungen nicht derart motiviert meistern können, wenn ich nicht zur Belohnung ab und zu selbst eine Schicht fahre. Das gehört definitiv dazu und ist auch mein großer Wunsch gewesen!
Was schätzt Du an Deinem Alltag als Busfahrer besonders und was würdest Du gerne ändern?
Obgleich der hohen Verantwortung, die der Job mit sich bringt, genieße ich meine „Busfahr-Tage" als Teamleiter besonders. Ich kann hier nämlich gar nicht erst versuchen, während eines Telefonates gleichzeitig eine Mail zu formulieren oder muss mich nicht mental auf weniger angenehme Personalgespräche einstellen, sondern ich finde in diesem Hobby tatsächlich die Zeit, um meine Gedanken zu sortieren. Das Telefon klingelt nicht und der Mail-Posteingang muss sich gedulden, stattdessen kenne ich Dienstbeginn und -ende ziemlich genau und während die Sonne meiner Sonnenbrille entgegenscheint darf ich die zusteigenden Fahrgäste freundlich begrüßen, an den Haltestellen genüsslich an meinem Coffee-To-Go nippen und auch so manches Gespräch mit Fahrgästen führen. Das ist für mich ein Gefühl von Unbeschwertheit. Am liebsten sind mir dabei – wie auch schon früher – die Spätdienste, da es für mich als Nachteule ein Privileg ist, ausschlafen zu können (ähnlich wie im Urlaub!). Zudem empfinde ich das Fahren durch die Abendstunden total entspannend, da man von Stunde zu Stunde und von Runde zu Runde beobachten kann, wie der hektische Alltag um einen herum immer ruhiger wird und langsam der Tag der Nacht weicht. Das sind wunderschöne Momente!
Zudem finde ich, dass Dienstpläne trotz der unternehmerisch wichtigen, wirtschaftlichen Gedanken auch rein menschliche Bedürfnisse berücksichtigen sollten, um den Fahrern auch zwischen den Fahrten Zeit zum Durchatmen zu geben. Und Fahrten sollten die Fahrzeit betreffend realistisch kalkuliert sein, um Anschlussbeziehungen auch verlässlich gewährleisten zu können. Hier erfüllt es mich total, solche Dinge dann nicht nur zu erleben, sondern als Teamleiter im Nachgang direkt mit den zuständigen Abteilungen absprechen zu können, um gewisse Dinge zum Positiven zu verbessern.
Welchen Bus fährst du aktuell und was sind aus deiner Sicht Vor- und Nachteile des Fahrzeuges?
Dies lässt sich bei unserem heterogenen Fuhrpark und der damit verbundenen Abwechslung schwer sagen. Angefangen als Mercedes-Benz Liebhaber fahre ich mittlerweile MAN auch sehr gerne, wobei ich sagen muss, dass ich sogar Fahrzeuge älteren Baujahres bevorzuge. Es kommt mir so vor, dass unsere Neuwägen viele „Kinderkrankheiten" mit sich bringen und recht anfällig für Fehlermeldungen zu sein scheinen.
Auf welchen Linien bist du unterwegs und welcher Dienst (Zeit oder Route) ist dir am liebsten?
Auch wenn mir als „Unterfranken-Springer", der ich auch heute noch nebenbei bin, die geographische Abwechslung (Mainebene, Rhön, Spessart, Steigerwald, Mainschleife, urbaner Raum um Würzburg und ländlicher Raum um Bad Kissingen, etc.) sehr gut gefällt, so befahre ich am liebsten als gebürtiger Würzburger unsere Linien 11 & 19, die wir in der Einsatzstelle Würzburg befahren. Das sind nämlich genau diese Linien, auf denen ich vor einigen Jahren als kleiner Bus-Fan vorne rechts gesessen bin und dem Busfahrer fasziniert über die Schulter gesehen habe. Da kommen immer tolle Erinnerungen an die damaligen Zeiten hoch. Zudem kennt man hier auch so manchen Fahrgast aus dem eigenen Freundeskreis, was auch immer sehr schön ist.
Tagtäglich im Straßenverkehr unterwegs zu sein, führt oft zu stressigen Situationen, wie entspannst du nach einem anstrengenden Arbeitstag am liebsten?
Hier finden sich viele Parallelen zu meinem Bürojob. Sowohl die in meinem Team befindlichen Fahrer:innen als auch ich leben täglich mit (unerwarteter) Konfrontation und mit Kritik. Zudem vereint uns, dass wir alle einer Tätigkeit nachgehen, die sehr viel im Sitzen erfolgt. Hier schaffe ich mir einen Ausgleich, in dem ich gerne ganz entspannt nach Feierabend 20-30 Kilometer mit dem Fahrrad zurücklege, um parallel zur vorbeiziehenden Gegend auch meine Gedanken schweifen zu lassen. Zudem arbeitet der Alex Frank (ein ebenfalls leidenschaftlicher Busfahrer und einer meiner besten Freunde) bei uns in der Leitstelle, mit dem ich ab und zu abends gerne mal in den Biergarten gehe. Natürlich habe ich auch privat viel Ablenkung durch Yannik – meinen Partner – der mir hilft, nach einem harten Tag auf andere Gedanken zu kommen.
Frage 6: Aktuell werden auf vielen Linien Elektro- und Wasserstoff- und Hybridbusse getestet, bist du schon mal in so einem Bus gefahren und wie stehst du generell zu dem Thema emissionsfreier ÖPNV?
Grundsätzlich befürworte ich solche Überlegungen, da die gesellschaftliche und wissenschaftliche Entwicklung nicht vor dem ÖPNV halt machen sollte. Auch wir betreiben einen Elektrobus in der Einsatzstelle Bad Neustadt an der Saale. Es ist ein Bus des Herstellers Ebusco, mit dem wir persönlich keine guten Erfahrungen gemacht haben. Er ist im Einsatz sehr unzuverlässig, war jedoch auch einer der ersten seiner Art und ist nicht das neueste Modell. Ich denke, der Hersteller hat bei den nachfolgenden Bustypen aus der Erfahrung gelernt und hat hier mittlerweile nachgebessert.
Ich finde jedoch, dieses ganze Thema sollte ganzheitlich im Umweltverband gedacht werden. Emissionsfreier ÖPNV sollte nicht nur selbst möglichst emissionsfrei sein, sondern zudem darauf bedacht sein, den Individualverkehr um möglichst viele Emissionen zu erleichtern. Und das geht natürlich nur, wenn Anreize zur ÖPNV-Nutzung geschaffen und Zugangsbarrieren abgebaut werden. Hier erachte ich den Ausbau des barrierefreien ÖPNV als Meilenstein, um dies zu erreichen. Damit meine ich jedoch nicht nur die Barrierefreiheit im klassischen Sinne, sondern die ganzheitliche Betrachtung des Begriffs Barrierefreiheit. Es gibt ja auch Verständnisbarrieren bei der einfachen Verständlichkeit von Fahrplänen (z.B. Pläne mit unzähligen Fußnoten und Bemerkungen), genauso wie es „Barrieren" gibt, aktuelle Störungsmeldungen des Betriebsablaufes schnell und unkompliziert allen wartenden / potentiellen Fahrgästen zur Verfügung zu stellen. Auch sollten wichtige Informationen in verschiedenen Sprachen zur Verfügung stehen, um Sprachbarrieren abzubauen. Ich bin mir sicher, dass wir uns hier die Entwicklungen im Bereich Digitalisierung zu Nutze machen können, sowohl für mehrsprachige Informationen, für aktuelle Infos als auch für die unkomplizierte und schnelle Bestellung von On-Demand-Verkehren, wie beispielsweise Anrufsammeltaxen. So stelle ich mir hier in Zukunft eine klassische Win-Win-Situation vor, die uns einerseits hilft, Prozesse zu vereinfachen und uns andererseits dabei hilft, den Kunden verständliche, einfache und 24/7 zugängliche Services zu bieten.
Noch ein sehr wichtiger Punkt ist der starke Fachkräfte- und insbesondere Fahrermangel. Was ist deine Message an junge Menschen, die sich überlegen Busfahrer zu werden, und welchen Apell hast du an Unternehmer, die es schwer haben Fahrer zu finden?
Der Fachkräftemangel ist ein so gewichtiges Thema, sodass ich dies sogar zum Anlass nahm, darüber in meiner Bachelorarbeit zu schreiben. Diese habe im Januar 2021 fertiggestellt und sie trug den Titel „Reduktion des Fachkräftemangels im ÖPNV durch gezielte Personalentwicklung".
In diesem Zusammenhang startete ich im Herbst 2020 eine Online-Befragung mit dem Titel „Der ÖPNV als (potenzieller) Arbeitgeber", die auf verschiedenen Verteilkanälen über 13.000 Menschen erreicht hat, von denen nachgewiesenermaßen 700 teilgenommen haben. Aus den Erkenntnissen dieser Umfrage habe ich u.a. eine Handlungsempfehlung für die Branche abgeleitet, die darauf bedacht ist, auf junge Menschen möglichst attraktiv zu wirken, z.B. durch die folgenden Punkte:
Und jungen Menschen, die sich für Busse faszinieren, kann ich persönlich nur von ganzem Herzen raten, sich den Traum zu verwirklichen. Wer mit der richtigen Einstellung zum Bus fahren geht und gerne große Fahrzeuge lenkt, der wird definitiv Spaß an der Arbeit haben. Und falls das Betriebsklima nicht gut ist, nicht das Handtuch werfen, sondern lieber das Unternehmen wechseln. Denn: aktuell werden Busfahrer überall gesucht!
Zudem erachte ich es nicht für sinnvoll, nur Fahrer:innen abzuwerben, da sich die vorhandenen Fahrer:innen dann nur innerhalb der Branche verteilen. Vielmehr sollten alle Unternehmer darauf bedacht sein, Beschäftigte für die Branche zu gewinnen und an dieser Stelle empfehle ich der Branche, aktiv auszubilden und jungen Menschen einen tollen Einstieg zu ermöglichen und vor allem die Freunde an der Arbeit vorzuleben und zu vermitteln.
Und Last but not Least: Unternehmer, die es schwer haben, Nachwuchs zu finden bzw. Stellen zu besetzen, sollten kreativ sein. Hier kann es helfen, etwas mehr als Tariflohn zu zahlen oder mit anderen Sozialleistungen zu punkten. Zudem sollte man sich dessen bewusst sein, dass es so einige busbegeisterte junge Menschen gibt, die man auch bei genau diesem Hobby abholen sollte. Also anstelle von Flyern oder Zeitungsannoncen lieber soziale Medien bevorzugen und statt „gewöhnlichen" Bewerbungsgesprächen lieber Events anbieten, so auf einem abgesperrten Gelände ´mal ein Bus einige Meter selber bewegt werden darf. Dies machen wir z.B. im Oktober bei der OVF an unserem unterfränkischen Hauptstandort in Gemünden. Mit unserem Wagen 2024 mit Fahrschul-Pedalen darf hier jeder Interessierte einen kleinen Parkour mit Hütchen selbst befahren. Im schlimmsten Fall gehen dabei nur Plastikhütchen kaputt und im besten Fall gewinnen wir einen neuen Auszubildenden, der sich zwischen all den Unternehmen für uns entscheidet.