Der belgische Bushersteller Van Hool verschlankt sein reichhaltiges Reisebus-Portfolio. Im Zuge der jüngsten Modellpflege präsentiert er neue EX-Reisebusse, die den Trend zu knapp kalkulierten Budgetfahrzeugen bestätigen. Gleichzeitig streicht er bei den TX-Premiumbussen einige Typen. Wir haben uns bei Van Hool kundig gemacht.
„Nichts ist unmöglich“ galt in Koningshooikt lange als oberste Prämisse. Van Hool war wohl der Omnibushersteller mit einem der breitesten Sortimente am Markt. Aber am Stammsitz von Van Hool wird heute auch mit spitzen Bleistiften gerechnet. Gerade bei den Reisebussen registriert der Hersteller eine verstärkte Nachfrage nach kostengünstigen Fahrzeugen, während die Luft bei kostspieligen Premiumbussen deutlich dünner wird. Auf das Budget-Segment zielt die EX-Baureihe, die im nordmazedonischen Van-Hool-Werk nahe Skopje produziert wird. Mittlerweile bauen die Belgier eine neue Omnibusfabrik in Morristown/Tennessee, die im ersten Schritt Linienbusse für den amerikanischen Markt bauen soll. Stand heute hat das Werk bei Skopje mit den zusätzlichen EX-Modellen mehr zu tun. Es sind Standardfahrzeuge, knapper kalkuliert und weniger individualisierbar, für Fernbuslinien und Transferfahrer. Lieferbar in den drei Höhen H (= 3,81 m), M (= 3,68 m) und L (= 3,55 m), und wichtig für Van-Hool-Kunden: Wer Zweiachser möchte, wird nur noch mit EX-Modellen bedient, egal, ob man 11-Meter-, 12- oder 13-Meter-Omnibusse möchte. EX-Dreiachser sind in den beiden Längen mit 13,39 m und 14,22 m bestellbar. Das aufwändige TX-Programm rollt fortan nur noch auf drei Achsen, als Vorlage dafür dürfte die TopClass von Setra gedient haben. Die TX-Baureihe erfüllt spezielle Anforderungen der Kunden, Van Hool setzt hier auf Astron-Superhochdecker, Astronef-Hochdecker mit Theaterbestuhlung, sowie den Spezialisten Altano mit Unterflur-Cockpit. TX-Bestseller dürfte übrigens der Doppeldecker Astromega sein, der in zwei Längen und Höhen am Stammsitz gebaut und in viele Länder und Kontinente verkauft wird. Neuerdings auch als Rechtslenker nach Japan, der Doppelstöcker ist dort nur 3,80 m hoch und rollt auf einem Scania-Fahrgestell.
Starke Dieselmotoren
Auch wenn sich die Silhouetten der Van-Hool-Busse nicht sonderlich von ihren Vorgängern unterscheiden, hat sich rundum und unter dem Blech sehr viel verändert. Die wichtigste Veränderung: Alle Motoren erfüllen die Euro 6D-Abgasgrenzwerte. Van Hool setzt konsequent auf die DAF-Motoren MX11 und MX13 der neuesten Generation. Der kleinere 10,8-Liter-Diesel ist die Standardmotorisierung für alle EX-Zweiachser, er ist in vier Leistungsstufen von 341, 367, 408 und 449 PS zu haben. In seiner stärksten Ausführung wuchtet der moderne Hochleistungsdiesel 2.300 Newtonmeter auf die Kurbelwelle, der Motor zählt zu den modernsten Antriebsaggregaten seiner Gilde: Mit zwei obenliegenden Nockenwellen und vier Ventilen pro Zylinder, mit in den Block eingegossenen Leitungen und hohen Zünddrücken, mit einer Hochdruck-Common-Rail-Einspritzung, die Kraftstoff mit maximal 2.500 bar Einspritzdruck und sehr fein zerstäubt und präzise eindüst. Nicht umsonst findet man den MX11 von DAF heute in zahlreichen Wettbewerbsfahrzeugen, er ist wohl aktuell einer der erfolgreichsten Bus-Motoren Europas. Für die schweren Dreiachser sowohl der EX- als auch der TX-Baureihe zieht Van Hool die bärenstarken MX13-Sechszylinder vor. Die hubraumstarken 12,9-Liter-Motoren leisten 483 oder 530 PS, ihr maximales Drehmoment (2500 oder 2.600 Newtonmeter) ist bereits bei 900 Umdrehungen verfügbar. Wer einen Blick ins Heckabteil wirft, findet die Motorlüfter und –kühler in einem separierten Abteil. Die belgischen Ingenieure versprechen sich so eine bessere Kühlleistung, wenn die Stauwärme im Motorraum die Kühler nicht mehr zusätzlich erwärmt.
Reduzierte Fertigungstiefe
Bei Van Hool darf der Kunde noch von Hand schalten, wenn er ein EX-Modell wählt. Die Belgier montieren für diesen Bedarfsfall ein GO230-Sechsganggetriebe von Daimler, optional kann auch ein automatisiertes Traxon-Getriebe oder eine Ecolife-Automatik sein. Weil hier gerade vom Lieferanten ZF die Rede ist: Auch die Achsen steuert jetzt der Haus- und Hoflieferant bei. Es rechnet sich eben nicht immer, wenn man alles inhouse fertigt. Das ist auch bei der Sitzfertigung so, jetzt bezieht Van Hool alle Standardsitze vom Lieferanten Kiel. Nur ein Teil, die Sonderanfertigungen fürs Premiumprogramm nähen und montieren die Sitzspezialisten in Koningshooikt.
Auch der Trend zu Mirror Cams geht nicht spurlos an den Belgiern vorbei. Schon zur Busworld konnte man EX- und TX-Fahrzeuge mit Spiegelersatzsystemen sehen. Sie stammen von Vision Systems aus Frankreich, der Kunde hat die Wahl: Mirror Cams oder Spiegel. Wir würden Stand heute noch zu den Spiegeln greifen, uns haben die gebotenen Monitorbilder vor allem nachts nicht vollends überzeugt.
Und noch etwas ist uns aufgefallen: Alle EX- und TX-Modelle rollen auf Reifen der Größe 315/80 R 22,5, selbst der Midi EX11, der auf die höheren Traglasten sicher verzichten könnte. Ein Schritt Richtung Standardisierung und verringerte Varianz? Wir werden den Fall weiter verfolgen.