Seinen ersten Auftritt hat der neue Setra-Doppeldecker schon hinter sich. Jetzt dürfen wir Hand anlegen, hier unsere ersten Erfahrungen als Fahrgast und hinter dem Steuer.
Klein und filigran wirken sie hier, vor der kühnen Architektur der Ciudad de las Artes y Ciencas oder kurz CAC in Valencia. An der expressiven Stadt der Künste und Wissenschaften nimmt man die beiden Setra-Doppeldecker aus Neu-Ulm sehr irdisch wahr. Auch wenn gerade das neueste Setra-Produkt für eine modernisierte Designsprache steht. Hier wagen die Schwaben einen Schuss mehr Moderne mit verwegenen Linien, die das Understatement des Vorgängers ablegen und neue Akzente setzen. „Richtig dynamisch und deutlich verjüngt“, kommentieren die einen beglückt, andere sehen den 531er eher skeptisch. Die Produktmanager der Marke sind über die kontroverse Diskussion auch nicht unglücklich. Der neue Doppeldecker ist bei der Zielgruppe jedenfalls im Gespräch, er polarisiert sogar ein wenig.
Respekt heischend ist der Setra-Doppeldecker allemal, wenn man direkt vor ihm steht. Schließlich sind es die Abmessungen, auf die man sich einstellen muss. Mit vier Meter Höhe muss man seine Fahrwege gründlich planen. Schließlich sind auch 6,70 Meter Radstand nicht ohne und erst recht nicht das nach links und rechts schwenkende Heck. Aber das Format ist hinlänglich bekannt, nur in der Länge ist der Setra marginal (plus 11 cm) gewachsen. Und steigt man ein, entdeckt man viele bekannte Details. Es bleibt bei den Stehhöhen im Mittelgang, die Größenordnungen der beiden Decks wurden nicht angetastet. Und öffnet man den Kofferraum, stellt sich die erste Enttäuschung ein. Der technische Steckbrief spricht von 8,4 Kubikmetern, das Gepäckabteil über der Maschine ist nicht nur klein, sondern auch ziemlich niedrig.
Zwei Cockpits zur Wahl
Erst mal Platz nehmen hinter dem Volant, das lässt sich der Fahrer gern gefallen. Der verlängerte Vorbau bringt ein paar Zentimeter mehr, hier müssen sich Langbeiner nicht falten. Der Chef wählt zwischen zwei verschiedenen Cockpits, diese Strategie kennen wir bereits vom neuen Tourismo. Der Testbolide ist mit dem Arbeitsplatz der elitären TopClass konfektioniert, da kann man nicht meckern. Alle Schalter, Taster und Stellrädchen gehen gut zur Hand, links neben dem Sitz der Knauf der klassischen Feststellbremse – hier ist nicht viel Fortschritt zu finden. Natürlich kann sich der Fahrer durch unzählige Menüs klicken, vor einer größeren Fahrt sollte man es unbedingt tun. Denn sonst fährt man nur im Notmodus und kann viele hilfreiche Funktionen gar nicht nutzen. Heizung und Klima lassen sich fast intuitiv bedienen, aber ganz ohne Fallstricke geht es nicht ab. Mitfahrende Kollegen aus dem Obergeschoß reklamieren die Wärme der spanischen Frühjahrssonne – der Fahrer muss nachjustieren. Die Klimaautomatik macht es jedenfalls nicht autonom.
Ein Blick vorab in die Spiegel kann nicht schaden. Rechts ist der Weitwinkelspiegel nicht vollends einzusehen und links nur knapp – hier soll es noch eine Nachbesserung geben. Vielleicht mit einer stärkeren Anschrägung des Bodens im Obergeschoß, so macht es VDL beispielhaft beim Futura DD. Aber die Übersicht ist nicht grundsätzlich zu monieren, der Fahrer sitzt schon ziemlich nah am Geschehen.
Die ersten Meter machen auch sofort klar, dass man hier ein schweres Gefährt bewegt. Die Lenkung verlangt nach einer kräftigen Hand, gerade im Stadtverkehr. Und im ersten Kreisverkehr fällt auf, dass es mit den Rückstellkräften am Lenkrad nicht allzu weit her ist. Man kurbelt rein und man kurbelt raus, der Doppeldecker-Chauffeur hat in der Stadt gut zu tun. Da ist er froh, dass wenigstens die Schaltarbeit entfällt. Die Powershift-Automatik sortiert die Gänge betont komfortabel, der Gangwechsel wird nur auf dem Drehzahlmesser erlebbar. Nein, nicht ganz, man hört ihn auch. Denn im Unterdeck dominieren die Antriebs- und Reifenlaufgeräusche die Akustik. Das große Komforterlebnis gibt es im Doppeldecker nur im Oberdeck, das ist auch beim neuen Setra nicht anders.
Fahrwerk und Antrieb bewährt
Der 531er rollt wie schon sein Vorgänger auf 315/80er-Pneus. Und wir wollten wissen, warum die Entwickler nicht auf den flacheren 70er-Reifenquerschnitt übergegangen sind. „Aus Komfortgründen“, argumentieren sie, „der 80er-Reifen bietet das bessere Abrollverhalten“. Jedenfalls kann es nur marginal sein, wir kennen ja auch die Konkurrenz. Speziell die Setra-Vorderachse rollt wenig geschmeidig ab, über harte Fahrbahnkanten poltert sie wenig dezent. Am Wank- und Rollverhalten gibt es nichts auszusetzen. Enge Kurven umrundet der hohe Setra relativ straff gedämpft, man hat ihn nach kurzer Einfahrbekanntschaft gut im Griff.
Auch beim Antriebsstrang bleibt es bei bewährten Komponenten. Der 12,8-Liter große OM 471 hatte zuletzt noch eine Überarbeitung erfahren, er liefert seine 510 PS Nennleistung schon bei 1.600 Touren. Der Reihensechszylinder wuchtet schon knapp über Leerlaufdrehzahl verwertbares Drehmoment auf die Kurbelwelle. Mit wenig Gas geht es durch Valencia, das Powershift-Getriebe macht einen guten Job. Schnell ist man auf Autobahn-Tempo, heute irritiert starker Seitenwind von der Meerseite den Kurs. Da reichen auch 95 km/h, wir haben es heute nicht eilig. Schnellstraßen sind das Revier des Doppeldeckers, hier zieht er ziemlich souverän seine Bahn. Unterstützt vom GPS-Tempomaten, der hier keine Sparverbräuche aus dem Hut zaubern kann. Es geht bretteben an der Küste entlang, da kann man weder Segeln noch Kuppen schinden. Der ART (Abstandsregeltempomat) macht seine Sache gut, der Spurassi mahnt zu diszipliniertem Fahren. Und der Notbremsassistent ABA 4 bleibt diskret im Hintergrund, er gibt auch keine überflüssigen Warnmeldungen ab – gut so. Weitere Pluspunkte fährt sich der brandneue Abbiegeassistent ein, der in der Stadt beim Rechtsabbiegen sichert und auf der Autobahn den Spurwechsel (nach rechts) überwacht.
Neues Cockpit im Obergeschoß
Am nächsten Rasthof ist die aktive Verkostung auch schon vorbei, mit einem Kaltgetränk sind wir auf dem Weg ins Oberdeck. Die vordere Aufstiegstreppe, zwar hell dank der Fenster, fällt aber ziemlich schmal aus – breithüftige Fahrgäste sollten besser den breiteren Mittel-Aufstieg wählen. Der Kunde hat die Wahl: Die Treppe 1 rechts oder links, der Setra-Produktmanager empfiehlt für den Fernlinienbus den rechten Aufstieg. Und links für den Touristikbus, das sind auch die beiden Grundtypen, die Setra jetzt in diesem Segment baut. Der Fernlinien-Doppeldecker bekommt die breitere Mitteltür plus Rollstuhlrampe, klappbar oder einhängbar als Faltrampe. Die rechte Sitzreihe wird ohne Podest sowie mit Verstell- und Sicherungsschienen im Boden montiert. Fast barrierefrei ist der Zugang zum Waschraum, der sitzt jetzt diagonal im Eck. Mit mehr Stehhöhe (jetzt 1,82 m) und marginal mehr Raum, für den Fernlinienverkehr kann eine robustere Einrichtung gewählt werden. Der Abwassertank bleibt so groß wie gehabt, er wurde noch für den 431er von 105 auf 150 Liter vergrößert.
Begehrt ist natürlich der Platz an der Sonne, im Oberdeck ganz vorn in Reihe 1 ist man hautnah am Verkehrsgeschehen. Und entdeckt Sehenswürdigkeiten, bekommt Einblicke, auch über Mauern. Die Front unter der Windschutzscheibe ist jetzt neu eingekleidet, mit zweifarbigem Kunststoff, Cupholdern und Haltstange. Hier spricht der Hersteller von einem zweiten Cockpit für die Fahrgäste, die Ablage reicht für Tablets oder einen Snack. Und oben im Fenstereck ragen aus der A-Säule kompakte Monitore, die das Bild der Infotainmentanlage zeigen. Natürlich gibt es Wifi an Bord, der WLAN-Router ist heute nicht mehr wegzudenken. Zur Stromversorgung der eigenen Geräte gibt es Steckdosen oder USB-Anschlüsse. Aber der eigentliche Genuss im Doppeldecker ist, manche sehen es auch anders, die komplette Entkoppelung von Fahrbahn und Antrieb. Wenn man dann noch auf Ambassador-Stühlen mit verstellbaren Kopfstützen sitzt, möchte man auch mit einem Flugreisenden nicht tauschen.
Unsere Meinung
Der neue Setra S 531 DT bietet bekannt-bewährte Technik garniert mit extrovertiertem Design. Wer aus dem 431er umsteigt, hat es jedenfalls nicht schwer, sich mit dem neuen Setra-Doppeldecker vertraut zu machen. Mit seinen neuen Assistenzsystemen macht der größte Neu-Ulmer freilich einen großen Schritt nach vorn, hier hat der Reiseriese aus Neu-Ulm mehr als seine Wettbewerber zu bieten. Für eine umfassende Bewertung war unsere kleine Probefahrt zu kurz, es waren auch noch sehr frühe Fahrzeuge. Die genaue Analyse liefert unser Test, wir haben uns bereits beim Hersteller gemeldet.