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Im Test: Mercedes-Benz Tourismo

13 Meter Länge, zwei Formate: Der Kunde kann zwischen Zwei- und Dreiachsern wählen.

Der neue Mercedes-Benz Tourismo ersetzt das erfolgreiche Vorgängermodell, soweit so gut. Aber der neue Tourismo soll jetzt auch die Travego-Kunden bedienen. Wie gekonnt spielt der Newcomer seine Rollen?

Mit ihren Erwartungen geben sich Vertriebsstrategen des Marktführers ja keineswegs bescheiden. Vollmundig sprechen sie vom neuen Star im Business-Segment. Natürlich soll der neue Tourismo in die großen Fußstapfen des Vorgängermodells treten und nicht nur das: Er soll in Westeuropa mit hochwertiger Ausstattung den Premiumbus Travego ersetzen. Sekt plus statt nur Selters? Damit rückt der Tourismo ein Stück weit aus seinem angestammten Revier, der Standard-Reisebus bekommt eine langen Optionsliste mit auf den Weg – und soll so den „Travego“ geben.

Uns hat es das 13-Meter-Format angetan. Denn gerade die mittlere Fahrzeuglänge verspricht künftig Zuwachs. Neben den schon klassischen Dreiachser positioniert der Marktführer einen trendigen Zweiachser, er heißt „M Strich 2“ statt nur „M“. Mit aufgelasteter Vorderachse (jetzt 7,5 statt 7,1 t) soll er gemäß der technischen Daten für 19,5 Tonnen Gesamtgewicht gut sein. Alle Argumente sprechen für eine hohe Effizienz: Eine Sitzreihe mehr ohne Übergewichtssorgen, mit einer Achse weniger reduziert sich der Rollwiderstand. Obendrein profitiert der Betreiber auf internationalen Touren von geringeren Autobahngebühren. Und natürlich beim Laden von umfänglichen Reisegepäck: Bis zu 11 Kubikmeter passen hinter die großen Klappen. Vor allem links, nur mit einem kleinen Manko: Die Schwenkklappen dürften gern etwas weiter nach oben öffnen, so holt sich der Fahrer oder Fahrgast gern eine Kopfnuss. Hier hat der zweite Proband deutlich weniger zu bieten. Nur 8,5 Kubikmeter fasst der Stauraum des Dreiachsers, sein kurzer Radstand beeinträchtigt das Fassungsvermögen. 

Jetzt mit 19,5 Tonnen Gesamtgewicht: Der Zweiachser vom Typ M/2 lässt sich betont wirtschaftlich betreiben.

Wohlgeordnetes Cockpit

Aber erst mal Platz nehmen hinterm Steuer: Im neuen Tourismo-Cockpit fühlt man sich sofort zuhause. Kein Platzmangel für Langbeiner, das griffige Lenkrad lässt sich sehr persönlich einstellen - und über die neue Pedalerie wird man kein böses Wort mehr hören. Alles wohl geordnet, die Taster in Gruppen, Digitacho und Klimacenter sind immer in Blick und Zugriff. Es gäbe ja auch noch den einfacheren Fahrerplatz „Basic Plus“ mit schlichtem Audo-System, der macht aber viel weniger her. 

Jetzt aber los, der Kollege mit dem Dreiachser ist längst auf der Autobahn. Und wir kommen schnell in Fahrt, mit 428 PS und 2.100 Newtonmeter Drehmoment hat der Sechszylinder mit dem fast leeren Zweiachser ein leichtes Spiel. Erst recht, weil er, wie der Hersteller sagt, zuletzt noch 200 Kilo abgespeckt hat. Auch seine Laufkultur verdient eine Bemerkung, der Vorgänger hatte noch eine deutlich herbere Aussprache gepflegt. Auf der Autobahn tost heftiger Wind, der Zweiachser zeigt sich davon nur wenig irritiert. Mit fast sieben Meter Radstand fährt er stoisch geradeaus. „Länge läuft“, sagt der Segler, da macht der M-2 keine Ausnahme. Er duckt sich bei schneller Fahrt ein paar Zentimeter dichter an die Fahrbahn, wie man´s von den neuen Setra-Typen kennt – er ist ziemlich windschnittig, der Neue.

Cockpit Comfort Plus: Mit Coach Media-System und Lederlenkrad, es gibt auch eine einfache Variante.

Erste Wahl beim Fahrer 

Geht es um die Kosten, hat der lange Zweiachser gleich die Nase vorn. Gleiche Länge, gleiche Kapazität und gleicher Antriebsstrang, wo kann der Dreiachser noch punkten? Das Argument der Nutzlastreserve verfängt sich immer weniger, auch wenn sich der dreiachsige Tourismo M mit 24 Tonnen ins Gespräch bringt. Die er freilich höchst selten braucht, er hat auch kaum das Kofferraummaß, um sein Limit zu erreichen. Aber wenn es ums Fahren geht, ist der „M“ erste Wahl. Denn seine Wendigkeit ist beinahe sensationell: Ein Plus bei Passfahrten, in engen Innenstädten dreht der Tourismo-Dreiachser gefühlt fast wie ein Midi. Woher es kommt? Ein großer Einschlag an den Vorderrädern, ein kurzer Radstand, zudem lenkt die Nachlaufachse hydraulisch mit. Die sportlich straffe Lenkung gibt den Kurs vor, dem der handsame Dreiachser ziemlich unmittelbar folgt. Und nicht nur der: Aber auf engem kurvigem Geläuf muss sich der lange Zweiachser geschlagen geben, mit 6,9 Meter Radstand ist er einfach gehandicapt. Er empfiehlt sich eher als Spezialist für lange Autobahnetappen, wo er mit unerschütterlichem Geradeauslauf glänzt. Da und dort werden erstklassige Fahreigenschaften geboten, die mit einer beinahe sportlichen Note gewürzt werden. 

Kühle Eleganz: Bestuhlung mit 48 Travel Star Eco-Sitzen, Verkleidungen in verschiedenen Grautönen.

Gleichstand bei den Motoren 

Da wie dort sitzt baugleich der OM 470 mit 428 PS und 2.100 Newtonmeter im Heck, sie fühlen sich aber unterschiedlich an. Bei einheitlicher Hinterachsübersetzung und gleichem Getriebe gibt sich der Dreiachser weniger temperamentvoll, ist auch kein Wunder bei fast zwei Tonnen Mehrgewicht und zusätzlichem Rollwiderstand. Da gäbe es ja noch den stärkeren 470er, der mit 456 PS und 2.200 Newtonmetern spürbar kräftiger anschiebt, der wäre im universellen Einsatz eine Empfehlung wert. Mit fernlinientauglicher 3,58er-Übersetzung auf der Autobahn diktiert das Powershift-Getriebe dem Diesel nur knapp 1.200 Touren, da bleiben bergauf bei fallenden Drehzahlen immer noch Reserven. Das automatisierte Powershift-Getriebe mit acht Gängen sehen wir fast als alternativlos, denn besser kann man kaum schalten. Im schweren Dreiachser agiert der Getrieberechner weniger zackig, eher schaumgebremst - so fühlt sich der Dreiachs-M auch an, wenn er über Schlaglochpisten rollt. Er legt eindeutig mehr Schluckvermögen an den Tag, wankt in Kurven nur wenig und nickt kein bisschen. Er spielt den Part des höher qualifizierten Travego, mit 48 exquisiten Sitzen mit plüschiger Luxline-Polsterung. Die sehen nicht nur opulent aus, man sitzt auch sehr kommod. An den verstellbaren Kopfstützen sollte man nicht sparen, so können auch großgewachsene Fahrgäste die Ruheposition genießen. Mehr Komfort genießt auch der M-Chauffeur, der hier auf dem neuen Isri-Fahrersitz aus der Optionsliste thront.

Opulente Bestuhlung: Travel Star Eco mit Luxline-Polsterung, verstellbare Kopfstützen

Neues Zweimassenschwungrad

Nicht ganz so gut sitzt man hinter dem Strich-Zwei-Steuer, hier wird dem Fahrer der Grammer-Sitz aus der Grundausstattung geboten. Kein Grund zur Beschwerde, damit kann man leben. Eben alles eine Frage des Preises, der gleichlange M/2 spielt mit Überzeugung die sachlich-nüchterne Rolle des Tourismo. Etwas einfacher in der Ausstattung, aber immerhin geht es im Innenraum deutlich leiser zu als früher. Der Reihensechser tönt unter Volllast weniger kernig, das neue Zweimassenschwungrad eliminiert die Vibrationen, wenn der Motor aus tiefen Drehzahlregionen beschleunigen muss. Luft nach oben sehen wir beim Federungskomfort, der Zweiachser überrollt die Flickenteppiche der kroatischen Landstraßen weniger zart besaitet als der dreiachsige Kollege. Der spielt seine Premium-Ambitionen mit betonter Zurückhaltung – ob mehr Sein als Schein bei den Kunden Anklang findet?

Geht es um das Thema Sicherheit, geben sich sowohl der zwei- als auch dreiachsige Tourismo keine Blöße. Der Kunde bekommt alle modernen Sicherheitssysteme, den Aufprallschutz Front Collision Guard  und neuerdings auch den Notbremsassistenten ABA 4 – man muss ihn nur extra bestellen (und bezahlen). Der letzte Schrei der Lichttechnik bleibt dem Tourismo noch verwehrt. Erst wenn im Fernverkehrs-Lkw Actros die LED-Scheinwerfer leuchten, werden sie auch im Tourismo angeboten. Ein paar Auffälligkeiten, es sind nur Details, haben uns weniger beeindruckt: Die Ecoroll-Funktion spart nur bei PPC-Tempomat-Nutzung Sprit, nicht aber wenn man mit dem Pedal fährt – der Actros aber kann es. Und das teure Navigationsgerät macht beim Einstellen noch Zicken, vielleicht ist die lässliche Sünde eines Vorserienfahrzeugs. Dann sollte sie bis zur ersten Auslieferung längst nachgebessert sein. 

Laden und streamen: Steckdosen und USB-Anschlüsse zählen heute zu den wichtigsten Optionen.

Unter dem Strich

Der neue Tourismo wird seinen Weg machen, davon sind wir überzeugt. Er trifft die Anforderungen seiner vielen Kunden: Er ist modern, bleibt aber bodenständig, kein Überflieger mit gänzlich neuen Technologien, eher konservativ, sicher und verlässlich. Sicher ein Fall für die Fernlinie, für die Mercedes den langen Zweiachser M/2 in Stellung bringt. Die Rolle ist dem Tourismo auf den Leib geschrieben, auch wenn noch an einigen Details gefeilt werden sollte. Ob die treuen Travego-Kunden bei der Stange bleiben, steht noch auf einem anderen Blatt. Unser Tipp: Der Dreiachser fühlt sich höherwertig an und bietet durchaus guten Fahrkomfort. Wer mehr möchte oder braucht, kann ja zur Premiummarke Setra konvertieren.