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Im Test: MAN Lion´s Coach C

Erstverkostung im Winter: Der lange MAN-Zweiachser zeigt sich bei widrigen Straßenverhältnissen von seiner sicheren Seite.

Das Format ist neu, der zweiachsige 13-Meter-Hochdecker von MAN ist konsequent für 19,5 Tonnen Gesamtgewicht konzipiert. Fürs erste Kennenlernen scheuchen wir den neuen Lion´s Coach C über winterliche Bergstraßen.

Nein, auf bessere Zeiten warten ist keine gute Idee. Schließlich muss so ein Reisebus bei jedem Wind und Wetter rollen. Die Chance, den neuen Lion´s Coach vor die Flinte zu bekommen, wollen wir nicht ungenutzt verstreichen lassen. Heute winkt ein erster Härtetest auf tief verschneiten Alpenstraßen, schon nach wenigen Kilometern fällt neuer Schnee. Eine Frage der richtigen Bereifung, die Michelin-Regionalreifen tragen das passende Schneeflocken-Symbol. Aber beim Thema Reifen ist noch nicht alles gesagt. Denn der neue MAN bekommt das neue Format 315/70 R 22,5 verpasst, die auf acht Tonnen aufgestockte Vorderachslast verlangt danach. Unsere Suche in den Katalogen der einschlägigen Reifenlieferanten offenbart, dass es für die 70er kein reinrassiges Omnibusprodukt gibt. Man muss sich heute noch mit Lkw-Pneus begnügen, da besteht dringender Handlungsbedarf bei den Reifenherstellern. 

Bis zu 59 Sitze

Aber damit ist der Neuheitswert des neuen MAN noch nicht erklärt. Sein Auftritt ist nicht revolutionär, da hatte MAN seinerzeit beim Vorgänger weit mehr Mut bewiesen. Aber der rundliche MAN ist jetzt erwachsen geworden. Statt Sturm und Drang zeigt er mehr Profil und Kante, ohne seinen Vorgänger alt aussehen zu lassen. Der lange Zweiachser bietet wie der Wettbewerb 55, 57 oder sogar 59 Fahrgastsitze, MAN bietet dafür sogar eine neue überbaute Toilette auf. Unser Coach C ist etwas elitärer, auf seinen 48 Sitzen vom Typ „Deluxxo“ sitzt man sehr entspannt und mit fürstlicher Beinfreiheit, nur an der Lehnenlänge fehlen entscheidende Zentimeter. Richtig fein – ganz ohne Schnickschnack - hat sich der Coach im Innenraum gemacht: Ein breiter stolperfallenfreier Mittelgang, ein sehr attraktiver Plafond mit toller indirekter Beleuchtung. Pluspunkte auch für die Einstiege: Vorn mit etwas mehr Breite, mittschiffs mit regelmäßiger Stufung. Und keinerlei Kritik beim Kofferraum, mit 11 Kubikmeter Volumen findet garantiert jeder Koffer Platz. Die Klappen schwenken parallel nach oben, der Fahrer muss sich beim Verladen nicht plagen. Nur schade, dass der neue Coach noch immer keine Klappen über den Radhäusern besitzt.

Modern wohnlich im Fahrgastraum: Gute Raumökonomie, bequeme Einstiege, Kiel-Sitze mit kurzen Lehnen, attraktive Innenbeleuchtung.


Und was sagt die Waage? 14.500 Kilo wiegt der lange Zweiachser einsatzfertig, allerdings ohne Ersatzrad und mit glänzenden Leichtmetallrädern. Er ist kein Leichtgewicht, geht aber legal mit 50 Fahrgästen und großem Gepäck auf Reisen. Genug Reserven auch für einen Rollstuhllift: Der wird bei diesem Modell direkt über der Vorderachse montiert. 

Opulent motorisiert

Aber genug der statischen Musterung und der Typenkunde. Wir müssen los und das knapp bemessene Tageslicht nutzen. Auf den ersten Kilometern schon kommen wir uns näher. Der neue Lion´s Coach macht es dem Fahrer nicht schwer, schnell ist er mit dem Cockpit, seinen Schaltergruppen und Bedienelementen vertraut. Alles geht gut zur Hand und zum Fuß, hier stimmt die Ergonomie. Wenngleich das Funktionslenkrad etwas ausladend ausfällt und der Tipphebel für den Retarder noch immer nicht der letzte Schrei ist. Man sieht nach allen Seiten, was man sehen muss und schnell stellt sich ein gutes Gefühl der Sicherheit ein. Denn der neue MAN setzt alle Fahrbefehle und Impulse unmittelbar und berechenbar um. Schön feinnervig agiert auch der D26-Sechszylinder, der Zweiachser ist mit 460 PS schon opulent motorisiert. Nach Autobahnbaustellen schauen Pkw-Fahrer irritiert, wenn der MAN mit seinen 2.300 Newtonmetern aus 60 km/h fast fulminant beschleunigt. Für die Fahrgäste fast unbemerkt, ganz ohne Schaltarbeit – der Reihensechser im Heck grummelt dezent vor sich hin. Auch bei Volllastattacken aus dem Drehzahlkeller unterhalb von 1.000 Umdrehungen, der MAN-Antriebsstrang wird standesgemäß von einem Zweimassenschwungrad beruhigt. Aber braucht man so viel Leistung? Es kommt schon auf die Einsätze an. Aber gepaart mit einer langen Achse muss das hohe Fahrleistungspotenzial nicht teuer zu stehen kommen. Der MAN rollt mit etwa 1.100 Touren auf der Autobahn, zwar nicht mit 100 km/h, ab Werk wird er bei 98 km/h abgeregelt. So stark motorisiert schafft der MAN jeden Autobahnbuckel mit links, so fährt man souverän und sparsam.

Positiv bei Nachtfahrten: Der Mittelgang wird mit LED-Lichtern ausgeleuchtet.

Tipmatic mit neuen Funktionen

Auf der Autobahn fährt man heute, soweit vorhanden, mit dem GPS-Tempomaten. Bei MAN heißt er „Efficient Cruise“, er lässt den Hochdecker mit seiner „Efficient Roll“-Funktion segeln, wenn es bergab geht. Aber nur, wenn es Schwung zu holen gilt, an steilen Abfahrten bremst der Antriebsstrang mit. Das System arbeitet stimmig, wenn man die Hysteresen nicht überreizt. Die Standardeinstellung für Über- und Unterschwinger beträgt minus 6 und plus 5 km/h. Und wenn man jetzt mit 98 km/h cruisen möchte, wird die Höchstgeschwindigkeit bergab beträchtlich überschritten. Besser und sicherer fährt man mit eingeschränkten Hysteresen ein, allerdings spart man weniger Kraftstoff. 

Auch getriebeseitig können wir von Neuheiten berichten. Das automatisierte Tipmatic-Getriebe bekommt eine Schnellschaltfunktion für die Gänge 10, 11 und 12, die recht gut funktioniert, gerade mit der ellenlangen Achsübersetzung. Die Idle-Speed-Funktion lässt den Hochdecker im Stau mit Leerlaufdrehzahl nachrücken, so wird die Kupplung geschont. Und durch die Zwangsneutralstellung bei Fahrzeugstillstand wird die Kupplung für ein langes Leben geschützt, eine wirklich gute Idee. Dass MAN noch immer auf die altbewährte AS-Tronic setzt, mag im Fahrbetrieb kein Nachteil sein. Mancher Wettbewerber fährt bereits mit dem Traxon-Getriebe, der nächsten Aggregate-Generation von ZF. Übrigens auch MAN, dort allerdings nur die schweren Lkw. Aber so viel wissen wir bereits: Die MAN-Motoren verstehen sich bestens mit den neuen Traxon-Getrieben.

Wahlmöglichkeiten: Standardtoilette mit oder ohne Kühlboxaufbau, auf Wunsch gibt es auch eine Unterbau-Toilette.

Künftig mit PCV-Dämpfern

Auf unserer Wintererprobung wird dem MAN nichts geschenkt. Auf Schnee und Matsch schätzen wir die präzise Lenkung, der MAN zieht hier unbeeindruckt seine Bahn. Auch seine Traktion und Spurführung, die gefühlvolle Bremsen, wenn es über verschneite Landstraßen geht. Die Fahreigenschaften überraschen rundum positiv, denn unser Coach C muss noch mit den konventionellen Standard-Schwingungsdämpfern auf die Holperpiste. Die letzten Erfahrungen mit dem fast baugleichen Neoplan Tourliner waren noch zwiespältig, der 12-Meter-Hochdecker schwang in tiefen Wellen nach und tauchte beim Bremsen mächtig ein. Der lange „C“ macht es deutlich besser, er rumpelt auch nicht über kurze Querschläger und Kanaldeckel. Ein watteweicher Typ ist er nicht, eher straff durchtrainiert. Die eher artfremden 70er-Reifen steckt er ziemlich gut weg, schon bei unserer Leerfahrt. Denn mit zunehmender Auslastung federt der MAN sicher noch besser, da macht er keine Ausnahme. Da darf man gespannt sein, wie sich der Lion´s Coach mit den bereits avisierten PCV-Dämpfern (von ZF Sachs) fährt. Diese semivariablen Schwingungsdämpfer sollen mit zusätzlichen hydraulischen Ventilen noch feinfühliger arbeiten. 

Ein paar wenige Haare in der Suppe haben wir dann doch gefunden. MAN hat die Kufen unter den Fahrzeugbug vergessen, und das werden auch die österreichischen Kunden schnell reklamieren. Schon beim ersten Aufsitzen vorn geht die teure Bugmaske flöten – ein kleiner Schneehaufen genügt. Und angesichts der freitragenden Spitzen des Kunststoff-Bugs fragt man sich, wann der erste Fehltritt beim Einsteigen zu einem Schaden führt. Alles richtig hat MAN mit der Entscheidung pro LED-Fahrlicht gemacht. Der neue Coach C beleuchtet nächtliche Straßen bereits mit der neuesten Scheinwerfergeneration. Die soll dann auch die nächste Lkw-Generation bekommen, allerdings wohl erst im nächsten Jahr. Das erlebt man selten: Hier hat der Omnibus die Nase vorn.

Sieht gut aus und geht gut zur Hand: Neues Cockpit mit geordneten Schaltergruppen, die Schaltkonsole rechts fällt weg, wenn ein automatisiertes Getriebe bestellt wird.

Am Ende der Dienstfahrt

Schönwetter kann jeder, unsere Wintererprobung hat der neue MAN mit guten Noten absolviert. Er baut auf viele bewährte Komponenten und Qualitäten, daneben wurde die neue Generation gezielt verbessert. Hausintern muss sich der Coach mit dem Tourliner messen. Und wer ist der bessere Reisebus? Fragt man die Marketing-Strategen des Hauses, sind die Rollen klar verteilt. Der Neoplan soll gegen die Premium-Konkurrenz antreten und der Coach gegen Tourismo & Co. Aber der MAN ist kein Aschenputtel, gerade als langer Zweiachser überzeugt er mit handfesten Qualitäten. Ein paar geänderte Kleinigkeiten sind ihm zu wünschen, dann steht einer langjährigen Karriere nichts mehr im Weg.